Der letzte Sommertag bricht an

Am Gipfel des Hinteren Sonnwendjochs warte ich in der Morgendämmerung auf den Sonnenaufgang über dem Kaisergebirge in Tirol. Dies würde der letzte heiße Sommertag des Jahres werden. Schon wenige Tage später fiel hier und auf der Ackernalm mit der ersten Kaltfront rund ein Meter Schnee und leitete recht aprupt und heftig den Herbst ein.

Die Nacht war noch relativ mild, und der frühe Aufstieg unter einem klaren Sternenhimmel bei angenehmer Steigung kurz. Während die Nordseite steil und felsig abfällt, folgen die südlichen Berghänge hingegen der mittleren Neigung der darunterliegenden, aufgefalteten Gesteinsschichten. Das lässt sich an den Bergketten im Großen und der Felsstruktur am Gipfel im Kleinen nachvollziehen.

Ein frischer Westwind liess mich am Gipfel einen geschützten Platz hinter den Felsen suchen. Dort konnte ich entspannt die ganzen Farbübergänge der Dämmerung, von Blau und Lila zu Goldgelb und Orange, verfolgen, bis schliesslich die wärmende Sonne über dem Kaisergebirge erschien. Das Hintere Sonnwendjoch (1.986 m) bietet ein Rundum-Panorama über die bayrischen Voralpen im Norden bis hin zum Alpenhautkamm im Süden. Der Sonnenaufgang von diesem Gipfel fehlte mir noch, nach Besuchen auf dem Frechjoch oder dem Veitsberg südlich der Ackernalm.

Der Sonnenuntergang hinter dem Schinder am Abend vor dem Aufstieg beendete einen warmen Sommertag auf den an Gräsern und Blumen noch reichen Wiesen der Ackernalm, wo die Almkühe die letzten Tage der Saison verbrachten. Ich geniesse immer wieder gerne die unterschiedlichen Jahreszeiten und Wetter in den Bergen, auch mal die ungemütlichen Seiten (entsprechend geschützt) bei Sommergewitter.

Über dem Tal erschallten plötzlich feierliche Trompetenklänge, welche die Almbauern und -bäuerinnen, Senner und Sennerinnen zur Saison-Abschlussfeier im Berggasthof einluden – zur sogenannten Almkirta. Der Almabtrieb stand für die kommenden Wochenenden bevor, ehe der massive Schneefall Mitte September alle Pläne gründlich durcheinander brachte.