Schwenden auf der Roßalm
Ich habe beim letzten Besuch der Bayrischen Alpen ein altes Wort kennengelernt: Schwenden. Das Schwenden ist eine alte Form der Pflege von Almweiden. Dabei werden unerwünschte Büsche, Sträucher oder junge Bäume, vor allem von Latschenkiefer und Alpenrose, in mühsamer Handarbeit enfernt. Damit werden die Almwiesen für die Weidetiere als Futterfläche offengehalten.
Für die harte Arbeit an den teils steilen Hängen haben sich an diesem Tag Freunde, Familienmitglieder sowie Almbauern und -bäuerinnen der Nachbaralmen zur Unterstützung auf der Roßalm in den Chiemgauer Alpen zusammengefunden, man hilft sich hier in einer großen Gemeinschaft und packt zu.
Mit Motorsägen werden die Äste kurz oberhalb der Grasnarbe abgeschnitten, zu großen Haufen aufgeschichtet und vor Ort verbrannt. Die dickeren Äste werden gesammelt und als Brennholz für Küchenherd und Ofen zur Almhütte transportiert. Die zurückbleibenden Stümpfe werden stehengelassen, da sie mit ihrem Wurzelwerk die Hänge noch lange vor Erosion schützen und letztendlich verrotten.
Vorbeikommende Wanderer wundern sich über die hoch aufsteigenden Rauchwolken in einem Naturschutzgebiet. Doch auch diese Arbeit ist Naturschutz: Almweiden sind eine jahrhundertealte Kulturlandschaft. Die Bestoßung der Weiden mit Vieh über den Sommer sorgt auch weitehin für eine großartige Artenvielfalt auf den Almwiesen.
Im Naturschutzgebiet Geigelstein lebt auch eine bedrohte Population des Birkhuhns. Durch das Zurückschneiden der Latschenkiefern ensteht jene Mischung aus offenen Wiesen und schützenden Sträuchern, welche für das Birkhuhn überlebensnotwendig sind.
Wird eine zugewachsene Fläche einmal als Schutzwald deklariert, ist sie vollständig als Weidefläche verloren. Solche Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen auf Almen werdem zudem durch das Bayerische Bergbauernprogramm (BBP) mit Zuschüssen gefördert – diese sind wiederum abhängig von der Größe der lichten Weidefläche.
Die Feuer sind meldepflichtig. Auf einer Online-Plattform kann man den Ort frühestens eine Stunde vor Beginn der Arbeiten anmelden, damit nicht die Feuerwehr und Bergwacht grundlos ausrücken. Das ist nicht immer einfach, wenn man auf einer Alm mit schlechter Mobilfunkabdeckung lebt.
Nach getaner Arbeit wird zum gemeinsamen Essen und gemütlichen Ausklang auf die Almhütte eingeladen. Braten, Knödel und Kraut zu einem guten Bier, begleitet von traditioneller Musik mit traditioneller Ziehharmonika (diatonisches Knopfakkordeon) , Gitarre und Geige, sorgen für eine zünftige und fröhliche Jause.
Nur noch wenige Wochen und dann ist auch diese üppige Almsaison wieder vorbei. Der Almabtrieb steht kurz bevor und es bleibt noch viel Arbeit übrig, um die Herde vorzubereiten, Stall und Hütte danach winterfest zu machen. Ein am Bein verletztes Kalb muss im schlimmsten Fall sogar mit dem Helikopter ins Tal transportiert werden.
Ich war dankbar und froh, an diesem Tag meinen Beitrag leisten zu dürfen. Dadurch habe ich einen seltenen Einblick in die anspruchsvolle Arbeit auf einer Alm – hier zudem auf der am höchsten liegenden Alm Bayerns – bekommen und interessante und herzliche Menschen kennengelernt. Vergelts Gott.
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