Eiskurs auf der Franz Senn Hütte im Stubaital
Gletschereis und Kaiserschmarrn
Plötzlich ist alles eisiges Weiss. Ein Augenblick der Schwerelosigkeit, dann der harte Ruck, als der Hüftgurt in die Beine schneidet. Knisternd rieselt eine Wolke von Eiskristallen hinab in die blaue Tiefe der Spalte, dann herrscht Stille. Ich hatte es ja so gewollt! Aber es bestand keine Gefahr, denn dieser Sturz war geplanter Teil eines Eiskurses der Bezirksgruppe Böblingen/Sindelfingen des Deutschen Alpenvereins auf der Franz-Senn-Hütte im Oberen Stubai, Tirol.
Während ich also im Seil hing und mit den Prusikschlingen die Selbstrettung übte, versuchten meine Teamgefährten den Bau einer Sicherung und die Bergung mit der Losen Rolle. Was tags zuvor auf der grünen Wiese noch spielerisch gelernt wurde, kostete jetzt viel Konzentration und Schweiss. Die Spaltenbergung war einer der Höhepunkte des Kurses, nachdem wir uns zuvor mit den Grundtechniken der Orientierung, des Gehens in Schnee und Eis mit Pickel und Steigeisen, des Bremsens bei Stürzen, der Sicherung und Rettung beschäftigt hatten. Erweitert wurden der Kursinhalt noch durch Wetter-, Karten-, Gletscher- und Knotenkunde.
Unser Basislager für die Kurswoche, die Franz-Senn-Hütte, ist die eher als Berghotel statt als Schutzhütte zu bezeichnen. Sie bietet gutes Essen und guten Service, komfortable Sanitäreinrichtungen und Zimmer, einen Seminarraum und zahlreiche Übungsmöglichkeiten in den naheliegenden Klettergärten sowie Tourenmöglichkeiten in Eis und Fels. Aus diesen Gründen ist die Hütte stark von Kursen frequentiert. Man erreicht die Franz-Senn-Hütte dank einer Materialseilbahn ggf. mühe – weil gepäcklos – innerhalb einer Stunde vom Parkplatz im Oberrisstal, einem Seitental des Stubaitals, dass bei Neustift nach Osten abzweigt. Doch auch dieser Komfort hatte wie die Unterkunft den entsprechenden Preis!
Auf dem Weg erkennt man die klassischen Merkmale der ehemaligen Vergletscherung der Alpen: typische Schleifspuren talwärts auf den Felsplatten, die Trogform und Reste ehemaliger Moränen, die den früheren Stand des Eises erahnen lassen. Auch hier ist der dratische Rückzug der Gletscher offensichtlich.
Neben den täglichen Ritualen wie die morgendliche Wetterbeobachtung, das gemeinsame Essen und die abendliche Theoriestunde konnten wir auf interessanten Toure praktische Übungen durchführen. Dank der guten Wetterverhältnisse konnten wir alle Übungen im trockenen und meistens bei Sonnenschein durchführen, wenn auch die permanente Gewittergfahr uns oft zur Eile trieb. Doch letztenendes erreichten wir immer vor einem Schauer die Hütte.
Während es mich bei der zuvor erwähnten Spaltenbergung sehr an Überwindung kostete, in die Tiefe zu springen, waren die anderen Vorhaben einladender. Eine kurze Tour zur Erkundung des Umgebung und Akklimatisation am ersten Tag führte uns auf die vordere Sommerwandspitze, die einen herrlichen Blick über das Tal mit der Hütte bot.
Am nächsten Morgen gingen wir dann die sonnigen nördlichen Talhänge hinauf und von dort am versteckten Rinnensee vorbei auf die Rinnenspitze (3003 m). Nach dem letzten Wegstück über einen Grat, der als Klettersteig versichert ist, erlaubt der Gipfel den Blick ins benachbarte Linsenstal, den Lüsenerferner und die ihn umgebenden Gipfel.
Am dritten Tag durchquerten wir den langen, fast ebenen Talboden und stiegen dann auf einer alte Seitenmoräne, die vom Stand des Gletschers um die Jahrhundertwende zurückgeblieben war, bis auf die aktuelle Höhe des Eises. Wir verliessen den Weg, der auf den Aperer Turm oder ins benachbarte Oetztal führt, um auf dem Gletscher mit dem Verhalten auf Eis vertraut zu werden. Der Abstieg von der Moräne auf den Gletscher gestaltete sich dabei aufgrund des äusserst lockeren Gerölls schwieriger als geplant.
Den darauffolgenden gemütlicheren Tag in den Klettergärten mit Prusikübungen,Abseilen und Trockenübungen genossen wir hinreichend, so dass wir gerüstet waren für den Sommerwandferner, wo wir am nächsten Morgen zur Spaltenbergung aufstiegen. Erst weit über 3000 m fanden wir dann eine geeignete Spalte obwohl das Gelände schon recht steil war.
Nach der Pflicht die Kür: am letzten Tag wanderten wir nochmals ins hintere Tal, am Alpeinferner vorbei und auf dem Weg durch die Geröllhänge bis vor den Aperer Turm. Dort stiegen wir über den Verborgenen Ferner und dessen steile Flanke hinüber auf den oberen Lüsenerferner. Die Aussicht auf den Schrankogel im Westen, die Ruderhofspitze und andere Gipfel bildeten den grandiosen Abschied von der Welt aus Fels und Eis im Stubai, die vielen ja doch eher als Skitourengebiet bekannt ist.
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