Radtour durch die Weinberge nach Kaysersberg

Bunte Fachwerkhäuser in der Altstadt von Kaysersberg, Elsass, Frankreich

Von meinem Standort in Riquewihr konnte ich kurze und lange Radtouren durch die Weinberge an der südlichen Weinstraße im Elsass unternehmen. Eine eher kurze Tour führte mich nach Kaysersberg, einem weiterem elsässischen Weindorf mit langer, bewegter Geschichte und einer Altstadt voller gut erhaltener historischer Gebäude – trotz der erbitterten Kämpfe gegen die deutsche Wehrmacht im Winter 1944/45.

Lateinische Kreuze mit Inschriften auf dem Soldatenfriedhof Sigolsheim, Elsass, Frankreich

An diese kriegerische Auseinandersetzung erinnert insbesondere der Memorial Hill 351 bei Sigolsheim, den ich über einen kurzen, aber steilen Anstieg erreichte. Der Hügel trägt die militärische Bezeichnung „Hill 351“ aufgrund seiner Höhe von 351 Metern und ist heute ein Ort, der an die Opfer der blutigen und verlustreichen Befreiungskämpfe der französischen und der US-Armee gegen die deutschen Besatzer im Elsass erinnert.

Reihen mit Kreuzen auf dem Soldatenfriedhof Sigolsheim vor dem Panorama der Vogesen, Elsass, Frankreich

Von der strategisch bedeutenden Anhöhe hat man einen weiten Blick über das Elsässer Weinanbaugebiet, das Tal der Weiss, die Vogesen und über die Rheinebene bis in den Schwarwald. Auf diesem sogenannten „Blutberg“ befindet sich heute eine amerikanische Gedenkstätte und der französiche Militärfriedhof „Nationale Nekropole von Sigolsheim“. Dort ruhen 1589 Soldaten, darunter auch Gräber von Soldaten aus dem Maghreb und von jüdischen Soldaten. Der Hügel bleibt ein symbolisch wichtiger Ort für die Versöhnung und Erinnerung.

Ein Wasserlauf im Kopfsteinpflaster vor historischen Fachwerkhäusern in der Altstadt von Kientzheim, Elsass, Frankreich

Nach diesem Moment der Einkehr und historischer Reflexion führt mich eine kurze Abfahrt hinunter nach Kientzheim. Die Hauptstraße durch das historische Zentrum wird von beidseitigen offenen Rinnen begleitet. Sie verlaufen direkt vor den Fachwerkhäusern, eingebettet in das mittelalterliche Straßenbild.

Kientzheim ist ein weiteres Zentrum des Weinanbaus und beherbergt viele traditionsreiche Weingüter mit Probierstuben. Im Château de Schwendi, einem Renaissance-Schloss, das einst im Besitz des Feldherrn Lazarus von Schwendi war, befindet sich heute der Sitz der Confrérie Saint-Étienne, der elsässischen Weinbruderschaft. Dort befindet sich auch das kleine Museum des elsässischen Weins.

Buntes Fachwerkhaus, der Konstantin-Brunnen und die Heilig-Kreuz-Kiche am Platz Jean Ittel in der Altstadt von Kaysersberg, Elsass, Frankreich

Nur wenige Minuten auf dem Rad waren es dann noch in die Altstadt von Kaysersberg. Schon im 12. Jahrhundert wird der Ort erstmals urkundlich erwähnt – seine strategische Bedeutung verdankt er der Lage im oberen Tal der Weiss am Zugang nach Lothringen, entlang eines alten Handels- und Heerwegs. Im 13. Jahrhundert errichteten die Staufer – als Zeichen kaiserlicher Macht – auf einem Felssporn oberhalb des Ortes eine Burg, die dem Ort seinen Namen gab: Kaysersberg. Der wuchtige Rundturm der Burgruine ist bis heute erhalten. 1293 wurde Kaysersberg zur Reichsstadt erhoben, was dem Ort wirtschaftliche Unabhängigkeit und politische Bedeutung sicherte. Schon früh entwickelte sich eine florierende Weinbaukultur. Händler, Handwerker und Winzer prägten das mittelalterliche Stadtbild, das sich noch heute in den sorgsam restaurierten Gassen widerspiegelt.

Bunte Fachwerkhäuser in der Altstadt von Kaysersberg, Elsass, Frankreich

In der Rue du Général de Gaulle, der Hauptachse des historischen Stadtkerns, reihen sich farbenfrohe Fachwerkhäuser mit geschnitzten Balken, Butzenscheiben und steinernen Erkern aneinander. Viele stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert – Zeitzeugen einer wohlhabenden Vergangenheit. Im Herzen der Stadt erhebt sich die Église Sainte-Croix, eine romanisch-gotische Kirche mit kunsthistorischem Rang. Besonders beeindruckend ist der spätgotische Flügelaltar, geschaffen um 1518 – vermutlich in der Werkstatt des berühmten elsässischen Bildschnitzers Hans Bongart. Der vergoldete Schrein zeigt in lebendigen Farben Szenen aus dem Leben Christi und ist eines der herausragenden Beispiele elsässischer Sakralkunst.

Auf der befestigten Brücke über den Fluss Weiss Fachwerkhäuser in der Altstadt von Kaysersberg, Elsass, Frankreich

Ein architektonisches Kleinod ist auch die Pont Fortifié, eine Steinbrücke aus dem 16. Jahrhundert, die nicht nur die Weiss überspannt, sondern einst Teil der Stadtbefestigung war. Die Brücke wurde auf beiden Seiten mit Schießscharten und Brüstungen versehen. In der Mitte der Brücke befindet sich außerdem eine kleine Kapelle, die eine mehrfarbige Statue der Jungfrau mit Kind beherbergt. Bevor die Statue hier ihren Platz fand, wurden hier Einwohner, die für kleinere Vergehen verantwortlich waren, eingesperrt und so zum Gespött der Stadt gemacht. Heute ist sie ein beliebter Fotopunkt.

Wer sich tiefer mit der Geschichte des Ortes befassen möchte, sollte das Albert-Schweitzer-Museum besuchen. In dem Haus wurde Albert Schweitzer 1875 geboren – Arzt, Musiker, Theologe, Philosoph und Friedensnobelpreisträger. Das Museum widmet sich nicht nur seinem Leben und Wirken in Lambaréné (Gabun), sondern auch seinem humanistischen Weltbild.

 

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  1. […] um Colmar hatten wir es nie geschafft und sehenswerte Orte wie Ribeauvillé,  Riquewihr, Colmar, Kaysersberg und Eguisheim somit verpasst – das sollte sich nun […]

  2. […] Fachwerk, das in warmen Erdtönen leuchtet – wie schon in Ribeauvillé, Riquewihr, Colmar oder Kaysersberg. Und doch ist Eguisheim […]

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