Colmar – bunte Farben auf Kunstwerken und Fassaden
Bevor wir die letzte Etappe der Reise entlang der elsässischen Weinstraße in Eguisheim abschlossen, fuhren wir von Riquewihr ins nahegelegene Colmar, das immer im Schatten von Straßburg zu stehen scheint.
Morgens, wenn das Licht der Sonne über die bunt getünchten Fassaden gleitet und sich in den gläsernen Augen der Schaufenster spiegelt, beginnt Colmar zu leuchten. Kein hektisches Erwachen, sondern ein gemächliches Öffnen der Sinne – in dieser Stadt geschieht alles in Farben und Geschichte getaucht. Die Altstadt von Colmar ist ein architektonisches Bilderbuch, das seine Seiten in Fachwerk, Sandstein und Kopfsteinpflaster erzählt. Zwischen Kanälen, Kirchtürmen und verwinkelten Gassen entfaltet sich eine Kulisse, die zugleich mittelalterlich verwurzelt und malerisch inszeniert scheint. Doch Colmar ist keine historische Kulisse, die Geschichte ist das Fundament der Gegenwart und der Zukunft.
Wir begannen den Stadtrundgang am Boulevard de St. Pierre, wo wir auf der Brücke über den Fluss Lauch einen Blick auf die alte Stadtmauer und die historischen Fachwerkhäuser erhielten und einen ersten Eindruck des Stadtteils „Klein Venedig“ gewannen. Ein paar Straßen weiter standen wir dann auf der Traenkbrücke im Herzen des Viertels „La Petite Venise“, benannt nach den vielen Kanälen der Lauch, die sich hier durch die Häuserzeilen schlängeln. Fachwerkhäuser spiegelten sich im Wasser, Fischerhäuser mit tiefgezogenen Dächern und hölzernen Galerien reihten sich an Weinstuben und Blumenbalkonen. Man hörte das leise beruhigende Plätschern des Wassers, internationale Sprachen und Stimmengewirr soweie das fröhliche Klirren von Gläsern.
Weiter führte uns der Weg vorbei am Schwendi-Brunnen zum Koïfhus, dem einstigen Kaufhaus aus dem 15. Jahrhundert. Hier schlugen einst die Handelsadern des Elsass im Rhythmus der Märkte. Die doppelläufige Freitreppe, das steile Dach mit glasierten Ziegeln und die kunstvoll geschmückten Fensterfronten erinnern an eine Zeit, in der Colmar zum wirtschaftlichen Zentrum zwischen Vogesen und Rhein heranwuchs. In den Sälen verhandelten einst Kaufleute aus ganz Europa.
Mitten im pulsierenden Zentrum von Colmar erhebt sich die Kirche Collégiale Saint-Martin, deren Turm und Kupferdach weithin sichtbar sind – ein stiller Orientierungspunkt im Gewirr der Altstadtgassen. Auch wenn sie nie Bischofssitz war, wird sie im Volksmund oft als „Kathedrale von Colmar“ bezeichnet – zu Recht, denn ihre majestätische Erscheinung prägt das Stadtbild wie kein anderes Bauwerk. Erbaut wurde die Kirche zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert auf den Fundamenten einer romanischen Basilika. Das heutige Gebäude ist ein eindrucksvolles Beispiel gotischer Baukunst im Elsass, errichtet aus warm leuchtendem Vogesensandstein. Ihre Proportionen wirken ausgewogen, fast zurückhaltend – und doch besitzt die Kirche eine stille Erhabenheit, die sich beim Betreten voll entfaltet.
Weiter durch die Rue des Marchands, wo sich prachtvolle Bürgerhäuser aneinanderreihen wie kostbare Perlen. Das Maison Pfister, ein Meisterwerk der Spätrenaissance, zieht mit seinem holzgeschnitzten Erker, den bemalten Fassaden und der filigranen Galerie jeden Blick auf sich. 1537 erbaut, ist es bis heute ein Sinnbild des Reichtums und Selbstbewusstseins einer Stadt, die sich früh dem Humanismus öffnete.
Überall begegnen einem die Farben von Colmar: rostrot, lindgrün, honiggelb, hellblau – auf Fensterläden, Türen, Holzbalken. Sie geben der Stadt jenen märchenhaften Charme, den schon der Künstler Frédéric Auguste Bartholdi, Sohn der Stadt und Schöpfer der Freiheitsstatue, liebte. Sein Geburtshaus liegt nur wenige Schritte entfernt – heute ein Museum, das nicht nur seine Werke, sondern auch sein patriotisches Lebenswerk beleuchtet.
Wer Colmar besucht, darf das Unterlinden-Museum nicht verpassen, untergebracht in einem ehemaligen Dominikanerinnenkloster. Hinter den mächtigen Mauern offenbart sich ein Schatz sakraler Kunst: Der Isenheimer Altar von Matthias Grünewald – expressiv, dramatisch, tief spirituell – ist eines der bewegendsten Werke der deutschen Renaissance. Er allein ist eine Reise nach Colmar wert. Hinzu kommen weitere mittelalterlichen Werke, z.B. von Martin Schongauer, und Exponate bis hin zur modernen, abstrakten oder expressionistischen Kunst im neuen Flügel des Museums, dem“Ackerhof“.






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[…] verziertes Fachwerk, das in warmen Erdtönen leuchtet – wie schon in Ribeauvillé, Riquewihr, Colmar oder Kaysersberg. Und doch ist Eguisheim […]
[…] waren gespannt, was uns in den kommenden Tagen in Colmar und Eguisheim noch geboten werden […]
[…] Gegend um Colmar hatten wir es nie geschafft und sehenswerte Orte wie Ribeauvillé, Riquewihr, Colmar, Kaysersberg und Eguisheim somit verpasst – das sollte sich nun […]
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