Anafiotika – ein anachronistisches Paradoxon

Graffiti in den Wänden im Stadtteil Anafiotika unterhalb der Akropolis von Athen, Griechenland

Der erster Spaziergang nach unserer Ankunft in Athen führte uns nur in die nahe Umgebung unseres Hotels in Monastiraki. Direkt unterhalb der steilen Felsen der Akropolis, zwischen den urbanen Stadtvierteln Plaka und Monastiraki, stießen wir unerwartet auf ein kleines Viertel mit einfachen, kubischen und weissen Terrassendachhäusern, steilen Treppen und verwinkelten Gassen, Bougainville und Blumentöpfen. Das Viertel erinnerte uns dadurch eher an ein altes Kykladendorf denn an den Rest der umliegenden Stadtviertel von Athen mit seinen mondänen Villen und antiken Ruinen, mehrstöckigen Geschäfts- und Wohnhäusern, breiten Straßen und viel Verkehr –  und das zudem in bester zentraler Lage der Innenstadt inklusive Aussicht? Das war sozusagen ein anachronistisches Paradoxon (aus der Zeit gefallener Widerspruch).

Graffiti in den Wänden im Stadtteil Anafiotika unterhalb der Akropolis von Athen, Griechenland

Im Gegensatz zu diesem beschaulichen, dörflichen Flair fanden wir zahlreiche Graffiti in einigen der abgelegenen und versteckten Gassen, interessanterweise direkt am Übergang von Anafiotika zu den anderen Stadtvierteln. Deutliche politische Botschaften und Symboliken am Eingang? Diese Straßenkunst wird ja auch gerne als illegaler Vandalismus bezeichnet und mit anarchistischen Einstellungen in Verbindung gebracht.

Graffiti in den Wänden im Stadtteil Anafiotika unterhalb der Akropolis von Athen, Griechenland

Aus dieser Perspektive ist Anafiotika tatsächlich eine anarchistische Insel in der Großstadt. Als im 19. Jahrhundert Athen zur Hauptstadt wurde, setzte eine rege Bautätigkeit ein. Arbeiter wurden gesucht, fanden aber oft keine Wohnung. Handwerker von den Kykladen liessen sich am noch unverbauten, steilen Hang des Akropolis-Berges nieder und errichteten ohne Genehmigung einfach ihre eigenen Häuser. Seitdem geduldet und ohne formellen Anspruch auf Eigentum haben die nachfolgenden Bewohner eine wehrhafte, dörfliche Gemeinschaft gebildet und dem mehrfach drohenden Abriß getrotzt. Inzwischen zählt das Viertel zu den touristischen Sehenswürdigkeiten.

Die Akropolis und Felsen auf dem Areopag in der warmen Abendsonne, Athen, Griechenland

Bevor wir ins Hotel zurückkehren und rechtzeitig zum Treffen mit unseren Freunden aufbrechen mussten, wollte ich unbedingt noch die bekannteste Sehenswürdigkeit – die Akropolis –  im Licht dieser herrlichen Abendsonne sehen. Vom Anafiotika-Viertel folgten wir also, die Höhe haltend, der Straße westwärts. Bald passierten wir den Aufstieg vom Monastiraki-Platz, wo es zunehmend belebter wurde. Schliesslich erreichten wir den Areopag. Auf dessen warmen Felsen sitzend bestaunten wir  – mit vielen anderen Touristen – die grandiose Rundumsicht auf das weite Athener Häusermeer im weichen Abendlicht. Leider konnte ich nicht noch bis zum Sonnenuntergang, der hier sicher sensationell ausfallen würde, bleiben. Die Abenddämmerung auf der Dachterasse unseres Hotels war aber nicht minder spektakulär.

 

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  1. […] Dachterasse des Hotels machten wir eine kurze Pause, bevor wir vor dem Abendessen noch eine ersten Spaziergang durch Anafiotika unterhalb der Akropolis […]

  2. […] vom ersten Spaziergang im herbstlichen Athen erlebten wir den leuchtende Abenddämmerung mit Blick auf die Akropolis auf der Dachterasse unseres […]

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