Ankunft auf Sal
Der erste Eindruck vom Flugzeugfenster auf die Inselgruppe der Kapverden bietet Schutt und Geröllwüsten, Sanddünen und ausgetrocknete Wasserläufe von Küste zu Küste, umspült von einem kristallklaren Meer. Nur wenige Erhebungen ragen über das ebene Land. Am deutlichsten heben sich die Funkanlagen des Flughafens, die großen Tanks am Hafen bei Palmeira und die einzige geteerte Straße der Kapverden, die als schwarzes Band von Espargos am Flughafen vorbei in den Süden der Insel verläuft, von der Palette der braungelben Erdfarben ab.So präsentiert sich die vorherrschende Landschaftsform der östlichen Insel und versetzt so manchen Besucher in Schrecken, der nur spärlich informiert doch eine üppigere Vegetation erwartet hatte. Die Einreiseformalitäten gingen überraschend schnell vonstatten und sogleich werden wir auch von Taxifahrern bedrängt, mit denen es geschickt zu verhandeln gilt. Ist man der offiziellen Amtssprache portugiesisch oder des kapverdischen Criolo nicht mächtig, helfen französisch, spanisch oder englisch in vielen Situationen weiter. Diese Sprachkenntnisse zeugen von der Arbeit in der Emigration der älteren Generationen, wo hingegen den jüngeren an den Schulen mit dem Erlernen einer Fremdsprache eine bessere Zukunft eröffnet werden soll. Schließlich werden wir uns auf einen Preis einig, bei dem jeder zufrieden ist, und treten unsere Fahrt nach Santa Maria in den Süden der Insel an, wobei sich der erste Eindruck der öden Landschaft noch intensiviert.
Überall verstreut fallen alte Tonnen ins Auge, die rostige Zeitzeugen des Straßenbaues und des Flugbetriebs sind. Die Straßen des Dorfes bestimmen kleine eingeschossige Häuser. Über das holprige, staubige Steinpflaster tolleln Scharen von Kindern, balancieren Frauen und Mädchen schwere Wasserkanister von den Brunnen nach Hause , und an schattingen Plätzen stehen Männer in Gruppen zusammen und lamentieren. Am Ort beginnt der langgezogene herrliche Sandstrand, an dem sich inzwischen einige Touristenhotels angesiedelt haben, die den Einheimischen europäischen Luxus vorführen. Ein Wagehaus, das neu hergerichtet wird und ein hölzernes Pier, das eine Renovierung viel notwendiger hätte, sind Überreste der ehemaligen Salzverladestation mit der kleinen Lorenbahn. Nicht nur bei Santa Maria, sondern auch in der großen Saline bei Pedra Lume im Nordosten der Insel wurde der Stoff gewonnen, welcher der Insel auch den Namen gab: Salz. Letzgenannte Saline liegt atemberaubend in einem ehemaligen Vulkankrater und ist einen Besuch wert. Die Überflutungsflächen liegen unter Meeresniveau und wurden durch Kanäle mit Meerwasser geflutet. Ebenso ungewöhnlich ist die Seilbahn, mit der das Salz gefördert wurde. Salz war bedeutendes Handelsgut: Zur Konservierung von Fleisch und Fisch auf den Schiffen und dem afrikanischen Kontinent war es notwendig und begehrt. In diesen Tagen sind die Salinen teilweise verfallen oder werden nur noch in minimalstem Umfang genutzt.
Jeden Nachmittag herrscht reges Treiben am Pier in Santa Maria, weil die Rückkehr der Fischer von ihren Fangfahrten erwartet wird. Alt und jung stehen zusammen, scherzen über die ungewöhnlichen Fremden und erzählen die neuesten Ereignisse im Ort. Bei den Älteren fühlt man die hoffnungsvolle Erwartung auf einen reichhaltigen Fang, wogegen die Jungen noch ungezwungen erscheinen und die kurze Wartezeit für ein Bad nutzen, begleitet von johlendem Geschrei. Während nun nach und nach die bunten Boote an den Steg herantuckern, weicht das ängstliche Bangen mit dem Anblick der reich gefüllten Boote. Die Fische werden auf die hölzernen Planken hinaufgehieft, wo sich die Menge neugierig um den Fang drängt. Auf dem Kopf, mit Schubkarren oder zum Teil uralten Autos werden die teils riesigen Fische fortgeschafft. Die tropischen Gewässer um die Inseln sind sehr fischreich: Thunfische, Makrelen, Flundern, Brassen sind nur einige Beispiele für den Arten- und Bestandsreichtum. Das Meer ist noch nicht überfischt, da es keine grösseren Fangflotten auf den Kapverden gibt. Dies hätte wegen den steil abfallenden Küstenregionen auch wenig Sinn, weswegen die Fischerei mit Leinen und Netzen auf den traditionellen kleinen Holzbooten vorherrscht. Nachdem wir dem pulsierenden Leben eine Weile zugeschaut haben, geben auch wir nach einem kurzen Spaziergang am einsamen Strand dem Drang nach, ins verlockende Nass zu springen und gönnen uns ein erstes Bad im angenehm warmen Wasser des Atlantik.
Aus einem unscheinbaren Gebäude, auf dem eine riesige aufgemalte schwarze Hand auf eine halbgeöffnete Tür verweist , dringen melancholische Weisen in die stehende gelbe Hitze der Straße. Wir folgen dem klagenden Klang und gelangen in eine Bar, wo eine Gruppe Kapverdianer den stickigen Alkoholdunst zum Schwingen anregt. Wie wir erfahren, spielen sie traditionelle Lieder der Kapverden- Funana, Coladera usw.. Die Musik ist ein ständiger Begleiter der Menschen. In den nächsten Wochen stellen wir fest, daß noch viel Musik selbst gemacht wird und auf zahlreichen Festen einen festen Platz im Leben hat, wenngleich aus vielen Bars und überlasteten Autolautsprechern die modernen Tonträger den Vorzug erhalten. Eine traditionelle Musikrichtung, die tief im Herzen der KapverdianerInnen wurzelt, und deren Sehnsucht und Liebe zu den Heimatinseln ausdrückt, ist der Murna. Viele Texte sind von nationalen Dichtern verfasst und später vertont worden.
Auf Sal hat schon der Massentourismus Wurzeln geschlagen und hofft auf steigende Besucherzahlen. Aufgrund der Nähe zum einzigen internationalen Flughafen, und des schönen Strandes wegen, hoffen die Betreiber der modernen Hotels auf Badeurlauber und bieten ein breitgefächertes Angebot an Freizeit – und Strandaktivitäten an. Die sich von Surfen unter hervorragenden Bedingungen über Tauchgänge bis hin zu Inseltouren mit allradgetriebenen Fahrzeugen erstrecken. Auf den anderen Inseln gibt es zumindest ausreichend Hotels und Pensionen, wo man auf die wenigen Reisenden und vergleichsweise vielen Emigranten trifft, die ihre Ferien in der Heimat verbringen. Europäischen Standard sollte man aber nicht erwarten, doch haben die Häuser landestypischen Charakter und Charme.
Für unser nächstes Ziel haben wir Plätze in der Maschine nach Sao Vicente gebucht und sind lang vor der Zeit am Flughafen erschienen, doch hier lernen wir die erste Lektion im interinsularen Flugverkehr: „Sie haben doch Zeit“, wird uns entgegnet, nachdem wir die gebuchten Plätze auf unserem gewünschten Flug nicht bekamen. Mit zahlreichen anderen Personen fehlt und die schlichte, aber wichtige Bestätigung des Airline-Büros am Flughafen. So undurchschaubar wie die Verwaltungsbürokratie, so unklar war unser Schicksal über das uns die Bediensteten nicht unterrichten, für unendliche Minuten im abgeriegelten Bereich verschwanden oder scheinbar unnütze Computer bearbeiteten. Letztendlich konnte uns mitgeteilt werden, daß eine zweite Maschine bereitgestellt wird und wir an diesem Tag doch noch unser Ziel Mindelo erreichen würden.
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